
Bei der Planung effizienter Gebäude sind Verschattungssimulationen ein wesentliches Werkzeug. Nur so lassen sich positive wie negative Auswirkungen des einfallenden Sonnenlichts auf ein Gebäude hinreichend genau untersuchen und damit auch Fragen der Dimensionierung wesentlich schärfer beantworten. Mit der Verschattungsberechnung auf Basis von Revit-Gebäudemodellen eröffnet LINEAR seinen Anwendern erneut eine interessante Möglichkeit, genauer zu rechnen und dabei gleichzeitig produktiver zu werden.
Einleitung
Um bei einer dynamischen Simulation bilanzieren zu können, ist zum einen unbedingt nötig, dass die raumumhüllenden Bauteile in ihrer korrekten Orientierung und Materialität normgerecht vermessen werden. Dieser Arbeitsgang wird mittlerweile zu einem großen Teil durch automatische Erkennungsalgorithmen direkt aus dem Gebäudemodell übernommen, sodass im Idealfall nur noch eine Prüfung der Ergebnisse erfolgen muss. Zum anderen wird für die korrekte Bemessung der Erträge durch transparente Bauteile eine Ermittlung von Glas- und Verschattungsflächen benötigt, um die Einflüsse der Eigen- und Fremdverschattung zu bewerten. Die verschattenden Elemente stehen – im Gegensatz zu den raumumhüllenden Flächen – nicht unmittelbar in Relation zu den betrachteten Raumvolumina. Es muss bereits bekannt sein, inwieweit ein opakes Bauteil überhaupt ein anderes transparentes verschatten kann, um zu entscheiden, ob ich dieses als Schattenquelle in die Berechnung aufnehmen muss.
Die Frage nach den relevanten Schattenquellen lässt sich im Vorfeld nicht pauschal für jeden Anwendungsfall beantworten. Trägt man die wünschenswerten Anforderungen an eine detaillierte Verschattungsberechnung zusammen, wird neben einer korrekten Ermittlung des Rahmenanteils die Eigenverschattung durch Laibungen, Atrien, Innenhöfe oder den Gebäudeversatz gefordert. Aber auch externe Schattenquellen, wie Nachbarbebauung und topografische oder vegetative Einflüsse, können je nach Vorhaben wünschenswert in der Betrachtung sein. Für eine hinreichend genaue Betrachtung gilt es zunächst festzulegen, welche Modellflächen für eine Verschattungsberechnung relevant sind. Dies kann entweder rein semantisch über den Ausschluss gewisser Modellinhalte, bzw. Materialien geschehen oder geometrisch anhand geometrischer Heuristiken (z.B. Lage, Abmessungen).
In der Praxis werden diverse Vereinfachungen getroffen, um interne und steuerbare Verschattungen (z.B. Vorhänge oder Lamellenraffstores) modellieren zu können. Bei fest installierten oder externen Verschattungseinflüssen werden – neben manueller Modellierung – häufig Kombinationen von semantischer und geometrischer Filterung eingesetzt. Die Festlegungen geeigneter geometrischer Schwellwerte (z.B. Suchradien, Mindestflächen) muss hierbei durch Erfahrungswerte anhand des Simulationsziels für die gegebene bauliche Situation getroffen werden. Die Gefahr hierbei ist, dass zu viele oder zu wenige Flächen als Verschattungselemente an die Berechnung übergeben werden. Während der erstere Fall Einbußen in der Berechnungslaufzeit mit sich bringt, kann der letztere Fall zu groben Fehl-
einschätzungen solarer Strahlungseinträge führen. Einige Simulationswerkzeuge basieren daher auf Verfahren, die ohne eine Einstellung geometrischer Schwellwerte auskommen. Hierbei werden aus Richtung der Sonne Lichtstrahlen durch das Modell geschickt. Die Verschattungselemente ergeben sich hierbei automatisch aus dem Abbruch der Lichtwege.
Neues Feature: Verschattungsberechnung
Der in diesem Artikel vorgestellte Ansatz basiert auf sogenannten Strahlverfolgungsverfahren. Anstatt die Verschattungselemente nur zu identifizieren und an die Berechnung zu übergeben, findet eine Vorberechnung der Verschattungskurven direkt im Gebäudemodell statt. Diese Auskopplung der rein geometrischen Anteile unseres Rechengangs hat den Vorteil, dass aufwendige geometrische Berechnungen GPU-beschleunigt und im Vorfeld ausgeführt werden können. Während der Parametrierung einer dynamischen Simulation können diese Schattenkurven immer wieder abgerufen und direkt verwendet werden. Eine Neuberechnung ist nur bei veränderten Architekturmodellen nötig und eine semantische Filterung kann über die Einstellungen der aktuellen Ansicht vorgenommen werden.
Ein wesentlicher Punkt bei diesem Vorgehen ist Vertrauen. Gerade in dynamischen Simulationen können einzelne Effekte aufgrund der Überlagerung vieler Eingangsgrößen höchstens qualitativ oder unter Zuhilfenahme spezieller Testszenarien validiert werden. Was die Beschattung von Gebäudebauteilen betrifft, so haben wir es mit einer aufwendigen Berechnung zu tun, deren Ergebnisse sich im Grunde aber sehr einfach überprüfen lassen. Um dies zu bewerkstelligen, stellen wir mit den LINEAR Solutions für Revit im Laufe der Version 25 den neuen Anwendungsfall „Verschattungsberechnung“ vor.
Der Berechnungszeitraum lässt sich optional statt eines ganzen Jahres auf die zugrundeliegenden Auslegungstage der VDI 2078 begrenzen. Werden Implausibilitäten (z.B. aufgrund eines falsch eingestellten Projektstandortes oder falscher Bauteillage/Ausrichtung) festgestellt, lassen sich die Modellinhalte direkt korrigieren und der Verschattungsdatensatz für das Modell neu berechnen.
Die Oberfläche des Diagnosewerkzeugs orientiert sich in der Handhabung an Audioschnittprogrammen. Mittels eines Suchwerkzeugs lassen sich nach erfolgter Berechnung repräsentative Fenster zur Plausibilitätsprüfung auswählen. Für alle berechneten Zeitpunkte lassen sich die Schattenkurven dieser exemplarischen Situationen untersuchen und gegen die Revit-integrierte visuelle Repräsentation abgleichen. Hierzu müssen die Sonnenbahn sowie der Schattenwurf in der Arbeitsansicht aktiviert werden.
Wurde die Qualität der berechneten Ergebnisse überprüft, so kann eine Übergabe an LINEAR Building erfolgen. Dazu speichern wir die Verschattungskurven sämtlicher Fenster in eine Datei mit der Endung EAC und stellen diese in der Fenster-
konfiguration der dynamischen Kühllast als externen Minderungskoeffizienten (engl. external attenuation coefficient, EAC) ein.
Durch einen Tausch des EAC-Datensatzes und anschließender Neuberechnung lassen sich mehrere vorausberechnete Varianten leicht miteinander vergleichen.
Validierung
Neben der Sichtkontrolle validieren wir die Ergebnisse auch anhand unabhängiger Vorgaben. So nutzen wir unter anderem die Verschattungs-Testfälle TF09 des SimQuality-Projektes, welches das Ziel verfolgt, die Qualitätssicherung und Standardisierung von Simulationsverfahren zu befördern. In den zugrundeliegenden Beispielen werden nicht bewegliche Strahlungshindernisse wie externe Hindernisse, Auskragungen und Seitenfinnen oder Kombinationen mehrerer Effekte am Beispiel eines Einzelfensters untersucht.
Bei den vorliegenden Validierungsfällen handelt es sich um vereinfachte Gebäudegeometrien, in welchen festverbaute Strahlungshindernisse modelliert und mit mehreren Simulationsumgebungen für einen Referenztag am Standort Potsdam berechnet wurden. Diese Geometrien wurden zum Zwecke der Validierung maßgetreu in Revit nachgebaut und mit dem Rechenkern des neuen Workflows „Verschattungsberechnung“ modellintegriert berechnet. Dabei konnte in allen Fällen eine sehr gute Übereinstimmung der Sonnenstände sowie der Sonnenlichts- bzw. Verschattungsfaktoren erreicht werden. Exemplarisch zeigen wir hier die Übereinstimmung der Verschattungsfaktoren für das Testbeispiel 9.3 (Auskragung und seitliche Finnen) in Abbildung fünf.
Performance
Neben der Verlässlichkeit der Ergebnisse ist ein wesentlicher Aspekt bei aufwendigen dynamischen Kalkulationen die benötigte Laufzeit zur Zielerreichung und die dabei einzusetzende Hardware. Die Grafikbeschleunigung orientiert sich an den Anforderungen von Autodesk Revit. Im vorliegenden Versuch, in dem wir verschiedene Gebäudegrößen und Einstellungen betrachten wollen, kommt eine handelsübliche CAD-Arbeitsumgebung (Intel Core i7-14700K, 3,4 GHz, 64 GB, NVIDIA GeForce RTX 4060) zum Einsatz.
Das kleinere Modell (im Folgenden „Büro S“) ist ein typisches Bürogebäude mit einer Netto-Raumfläche von 1.820 m² und insgesamt 82 Außenfenstern sowie Glasfassaden im Erdgeschossbereich. Es verfügt über eine Auskragung in den Obergeschossen der Südfassade und ist ansonsten über einem rechteckigen Grundriss aufgebaut. Die Berechnung für die Auslegungstage liegt innerhalb weniger Sekunden vor, die Ganzjahres-Berechnung benötigt etwa eine Minute.
Das mittlere Modell (im Folgenden „Schule“) ist ein Schulgebäude mit einer angeschlossenen Turnhalle. Es verfügt über eine Netto-Raumfläche von 6.980 m², mit 217 Außenfenstern sowie einer großen Glaskuppel und Glasfassaden im Foyerbereich. Die Fassade des L-förmigen Hauptgebäudes besitzt an mehreren Stellen Auskragungen. Auch für dieses Modell bewegen sich die Laufzeiten in einer ähnlichen Größenordnung wie die des Beispiels „Büro S“. Die immer noch relativ geringe Laufzeit trotz deutlich größerer Fläche lässt sich durch einen reduzierten geometrischen Modellentwicklungsgrad begründen.
Das größte hier betrachtete Modell (im Folgenden „Büro L“) ist ein Bürogebäude mit ca. 11.000 m² Netto-Raumfläche, verteilt auf drei Riegel, welche einen hohen Anteil an Eigenverschattung an den innenliegenden Fassaden der einzelnen Riegel aufweisen. Das Gebäudemodell liegt hierbei als IFC-Verknüpfung vor. Am Standort des Gebäudes werden die außenliegenden Fassaden durch umstehende Bestandsgebäude verschattet, welche mit Hilfe von Modellkörpern modelliert werden können. Zum Zwecke dieses Benchmarks wurde darauf allerdings verzichtet, da die zusätzlichen Geometrien nur marginale Veränderungen der Laufzeiten hervorrufen würden. In diesem Beispiel wird deutlich, dass die Extraktion der Modellgeometrie mit etwa sechs Minuten Rechenzeit wesentlich aufwendiger ist. Dies ist zum einem der hohen geometrischen Modellentwicklung, zum anderen der unterliegenden IFC-Modellierung geschuldet, deren Interpretation gegenüber Revit-nativen Archi-
tekturen einen etwas höheren Aufwand erfordert. Die Dauer für die Berechnung der Auslegungstage liegt aber auch in dieser Konfiguration mit knapp sieben Minuten in einem praktikablen Rahmen. Ganzjahresberechnungen können bei Bedarf während einer Mittagspause gerechnet werden.
Fazit
Die neue modellintegrierte LINEAR Verschattungsberechnung liefert mittels hardwarebeschleunigter Berechnungen schnell und robust Verschattungsergebnisse für dynamische Berechnungsverfahren. Dabei gilt der Grundsatz „What you see is what you get!“. Bedeutet: die Spezifikation der zu betrachtenden Modellinhalte wird anhand eines Modellfilters vorgenommen, der direkt in Revit kategorie- oder gar elementgenau eingestellt werden kann. Möchten Sie, dass ein Element in die Berechnung aufgenommen wird, machen sie es einfach in der zugrundeliegenden Ansicht sichtbar. Für benachbarte Bauwerke wie Gebäude oder Brücken können Sie vereinfachte Konzeptkörper modellieren oder auf Importe aus Geoinforma-
tionssystemen (z.B. mittels Autodesk Forma) zurückgreifen. Die Ergebnisse lassen sich im Anschluss leicht auf Plausibilität untersuchen und nach bestandener Prüfung direkt in Ihre dynamische Kühllastberechnung einbinden. Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen!
Literatur
SimQuality Testfallbeschreibung: Klicken Sie hier, um zur Testfallbeschreibung zu gelangen.