BIM und Komplexitätsmanagement
Die integrale Planung verfolgt als ganzheitlicher Planungsansatz das Ziel, eine optimale Lösung für die Errichtung und den Betrieb eines Gebäudes und der zugehörigen technischen Anlagen zu schaffen. Hierfür müssen alle Planungsbeteiligten bereits in den frühen Planungsphasen gemeinsam am Konzept des Gebäudes zusammenarbeiten, um eine optimale Lösung für die Anforderungen des Bauherrn zu erreichen. Die steigenden Anforderungen an Energie- und Kosteneffizienz sorgen jedoch dafür, dass man mit konventionellen Arbeitsweisen sehr schnell an Grenzen stößt, wenn es darum geht, Zusammenhänge einfach zu erkennen und den anderen Beteiligten zu kommunizieren. Als Werkzeug für das Komplexitätsmanagement in der Bauplanung und -ausführung hebt sich die Technik des Building Information Modeling (BIM) hervor, welche das Versprechen gibt eine verlässliche und stets aktuelle Datengrundlage für alle Beteiligten zu liefern und damit eine kontinuierliche Anreicherung der relevanten Informationen und Relationen zu ermöglichen.
Auch die Verwendung des besten Werkzeugs muss gemeistert werden. Die Einführung von BIM krankt in vielen Unternehmen aktuell noch daran, dass man sich zu sehr auf das Endprodukt und zu wenig auf den Weg dahin fokussiert. Dies äußert sich darin, dass man zwar den erheblichen initialen Mehraufwand spürt, dieser sich jedoch kaum in Form schlankerer Abstimmungsprozesse kompensieren lässt, sobald man in alte Muster zurückfällt. Im Gegenteil: Die deutlich detailliertere Form der Modellierung und die häufigere Synchronisierung von Arbeitsständen machen es in einem konventionellen Arbeitsmodus zusätzlich schwer, das Signal vom Rauschen zu trennen. In der Folge überfordert Kommunikation mehr, als dass sie nützt. Dieser Kommunikations-Overhead ist mitnichten eine Besonderheit der Bauplanung, sondern findet sich auch in anderen Disziplinen wieder, sei es dem Management in großen Konzernen oder dem parallelen Hochleistungsrechnen. Immer dann, wenn viele Akteure (Mitarbeiter, Prozessoren) gemeinsam an einer Lösung arbeiten sollen, ist eine Abstimmung auf feinen Skalen ineffizient. Das „big picture“ geht verloren, optimale Lösungen werden nur mit immensem Aufwand oder gar nie gefunden, da sich die Akteure in Details verlieren.
Um dieser Herausforderung zu begegnen, bemüht man sich in einem zyklischen Prozess um eine Abstimmung zwischen groben und feinen Modellen. Will man also das Potenzial heben, das in der Einführung von BIM steckt, dann darf man nicht bloß umdenken, sondern muss einige Arbeitsschritte radikal neu denken.
Schrittweise von grob nach fein
In der integralen Planung mit BIM werden erste mehrskalige Ansätze bereits erfolgreich praktiziert. Mithilfe vereinbarter Modellentwicklungsgrade wird beispielsweise bei der Aufstellung des BIM-Abwicklungsplans (BAP) eine Informationsbedarfstiefe spezifiziert, d. h., es wird festgelegt, welchen Ausarbeitungs- oder Fertigstellungsgrad (engl. „Level of Development“, kurz: LoD) ein bestimmter Modellinhalt in einer bestimmten Planungsphase besitzen soll. Hierbei unterscheidet man zwischen den messbaren Kriterien zum benötigten Modellinhalt sowie der erforderlichen Modellqualität und Abstimmung. Der Entwicklungsgrad anhand dieser Kriterien wird in der Regel über eine Darstellung als dreistellige Ziffernfolge angegeben, wobei man üblicherweise von 100 (grob) nach 500 (fein) einteilt. Auch Zwischenstufen wie LoD 350 sind mitunter gebräuchlich. Wie in Tabelle 1 verdeutlicht wird, ist die alleinige Angabe eines Gesamtentwicklungsgrads im Kontext des BAP nicht sinnvoll, da je nach Gewerk und Leistungsphase unterschiedliche Anforderungen an die Geometrie (LoG), die Informationen (LoI) und kollaborativen Entwicklungsgrade wie die Koordination (LoC) und Logistik (LoL) gestellt werden können.
Andere Codierungen (z. B. LoG-I-C-L; van Treeck et.al. 2016) greifen dies bei der Angabe des LoD auf, indem sie eine kombinierte vierstellige Ziffernfolge mit ausdifferenzierbarer Informationsbedarfstiefe verwenden (z. B. LoD 1221 würde in Tabelle 1 den Anforderungen an die Modellierung der Kostengruppe 410 in der Vorplanung entsprechen). In der DIN EN ISO 19650 wird hierfür, abweichend von der Literatur, der Begriff „Level of Information Need“ (LoIN) synonym verwendet. Die Spezifikation eines LoD (oder LoIN) ist in der Regel als Mindestanforderung zu sehen, d. h., die Bereitstellung höherer Entwicklungsgrade als der geforderten ist insofern zulässig, als dass dies den Projektablauf nicht stört, beispielsweise in Form von Performance-Einbußen.
Level of Geometry
Bei der Einführung von Modellentwicklungsgraden fehlt es aktuell an einheitlichen und verbindlichen Definitionen. Um die Verwirrung für den Leser also möglichst gering zu halten, fokussiert sich dieser Artikel auf den geometrischen Entwicklungsgrad („Level of Geometry“, LoG) und verwendet für die Präsentation die vereinfachte Definition aus Tabelle 2, welche sich an die Definitionen der VDI-Richtlinie 2552 anlehnt.
Die gegebene Definition ist zweifelsohne nicht umfassend und kann in diversen Aspekten ergänzt werden, wie z. B. die Verbindlichkeit einer Modellierung von Bedien- und Montageräumen wartungsintensiver Komponenten (Abb. 1). Ebenso ist die Einordnung in die unterschiedlichen LoGs sowie deren Benennung keineswegs unstrittig. Die Festlegung erlaubt es aber, unter Vermeidung formaler Spitzfindigkeiten, die wesentliche Mechanik hinter der Modellentwicklung zu beleuchten.
Insbesondere lässt sich gut erkennen, dass wir ab dem LoG 200 von konkreten Bauteilen (z. B. Pumpen, Rohren, Ventilen ...) reden, während der LoG 100 sich auf schematische Darstellungen bzw. generische Ersatzgeometrien ganzer Bauteilgruppen (z. B. Trassen) stützt, somit praktisch ein eigenes Teilmodell darstellt.
Im Folgenden beginnen wir in dieser sehr frühen Planungsphase und führen Sie durch die TGA-Modellentwicklung mit LINEAR auf der Plattform Autodesk Revit. Wir diskutieren Möglichkeiten, um zukünftig die Komplexität der eigenen Planungsleistung besser im Griff zu behalten und eine effiziente und zielgerichtete Abstimmung mit den anderen Beteiligten zu erreichen. Hierbei stellen wir proaktive Kollisionsvermeidung vor aufwendige Kollisionsbehebung, damit strukturelle Probleme im Informationsmodell bereits bei der Erzeugung von Informationen und nicht erst nach deren Bereitstellung erkannt werden können, ganz nach den Grundsätzen der DIN EN ISO 19650.
Kollaboration in frühen Planungsphasen
Gebäudetechnische Systeme benötigen ausreichend große Technikzentralen, deren strukturelle Anordnung einen massiven Einfluss auf die Trassenführung, aber auch auf die Gebäudestatik, die Optik und die Baulogistik haben kann. Beispielsweise können Dachzentralen als vorgefertigte Komponenten per Kran eingebracht werden, sind jedoch von außen sichtbar und verursachen hohe Schachtquerschnitte.
Um eine effektive Kollaboration im gesamten Planungsprozess zu fördern, liegt es im Interesse aller planungsbeteiligten Gewerke in der Vorentwurfsphase ausreichende Flächen und Bereiche für die Gebäudetechnik abzustimmen und diese mit einfachen geometrischen Volumenkörpern (LoG 100) zu reservieren. Die frühe Festlegung der Bereiche bietet den Vorteil, dass in fortgeschrittenen Planungsphasen nur noch Abstimmungen bei der Verletzung dieser Bereiche notwendig werden. Wird darüber hinaus bei der Konstruktion der einzelnen Gewerke schon versucht diese Grenzen einzuhalten, wird auch die Notwendigkeit reduziert zeit- und kostenintensive Planänderungen an detaillierten und ggf. bereits abgestimmten Fachmodellen vorzunehmen.
Um solch eine Planungsleistung im Kontext BIM erbringen zu können, bedarf es intelligenter Platzhalter für technische Anlagen, sogenannter „Provisions for Space“. Die Benennung entstammt den in IFC Version 4 neu eingeführten Platzhalter-Elementen, zu denen auch die „Provisions for Void“ zählen, welche als provisorische Abzugskörper das Fundament bewährter Kollaborationsmethodiken zur Schlitz- und Durchbruchsplanung sind (siehe Ausgabe 2/2019). Ob nun über „Provision for Void“ oder „Provision for Space“ geredet wird, eigentlich verwendet der TGA-Planer in beiden Fällen lediglich einfache geometrische Körper als Vehikel, um den Wunsch „Hier bitte Platz lassen!“ zu äußern. Klassisch geschieht diese Kommunikation zwecks Kollisionsauflösung nach detaillierter Ausführungsplanung der technischen Gewerke. In manchen Projekten werden bereits Entwurfspläne mittels einer Durchbruchsplanung koordiniert, um strukturelle Fragen im Vorfeld zu klären. Kollisionen werden also nach Möglichkeit proaktiv vermieden, anstatt sie später aufwendig zu beheben. Im Gegensatz zu einer frühen Abstimmung von Durchbrüchen in der Entwurfsplanung hat die im Folgenden vorgestellte „Provision for Space“-Methodik den Vorteil, dass sie neue Arten von Informationscontainern einführt, welche über die reine Durchbruchsplanung hinaus zu weiteren Koordinationsaufgaben herangezogen werden können.
Der vollständige Teilprozess der Vorentwurfsplanung ist in Abbildung 2 beispielhaft vorgestellt, welche der Einfachheit halber auf eine Einführung von BIM-Managern und Fachkoordinatoren verzichtet und stattdessen lediglich die Interaktion der Bauwerksdisziplin mit der TGA skizziert.
Nachdem die Bedarfsermittlung mit dem Bauherrn abgeschlossen ist, beginnt der Architekt einen Konzeptkörper des Gebäudes zu erstellen, in dem er anschließend Funktionsbereiche und Räume festlegt und positioniert. Unter Einbeziehung der Bedarfsplanung in diesem frühen Entwurf lassen sich optional erste Aussagen über ein energetisches Konzept machen. Beispielsweise kann mit Autodesk Insight eine erste Analyse auf Basis des Konzepts erstellt werden, um die Auswirkungen verschiedener technischer Optionen zu untersuchen (Abb. 3).
Die TGA nutzt nun zunächst das Bauwerks-Konzept und die verfügbaren Eckdaten des Gebäudes, um die erforderlichen Technikflächen sowie deren Lage abzuschätzen (z. B. anhand der Empfehlungen aus VDI 2050 Blatt 1). Da die Positionen der Technikzentralen maßgebend die Erschließung beeinflussen, sollten deren Lage und Größe in einer ersten Koordinationsstufe mit den Bauwerksverantwortlichen abgestimmt werden. Haben sich alle Beteiligten auf ein anforderungsgemäßes Modell der Funktionsbereiche inklusive Technikzentralen geeinigt, können in einer zweiten Stufe die Versorgungstrassen von den TGA-Planern positioniert und dimensioniert werden. Ist auch dieser Abstimmungsprozess erfolgreich verlaufen, liegt im Ergebnis ein Vorplanungsmodell vor, mit dem alle Planungsbeteiligten die weitere Detaillierung des Modells für die Entwurfsplanung vornehmen. Die Datenübergabe kann hierbei über offene Austauschformate (z. B. als „Provision for Space“ via IFC 4) oder über eine gegenseitige Referenz des Trassenmodells in Revit stattfinden und in der weiteren Planung bei Bedarf überlagert werden.
Dimensionierung und Verortung von Technikzentralen
Die Ermittlung der Technikflächen soll anhand eines Beispiels erläutert werden. Im Folgenden wird angenommen, dass das in Abbildung 2 entworfene Verwaltungsgebäude geplant werden soll. Die Büroräume sollen mit einem flächenbezogenen Zu- und Abluftstrom von 6 m³/(h·m²) maschinell belüftet werden. Eine zusätzliche Kühlung über eine Betonkernaktivierung und die Installation einer Sprinkleranlage sind gewünscht.
Aus dem Konzeptkörper des Architekten lässt sich nach Einführung von Körpergeschossen sowohl die Gebäudehöhe von 64 m als auch eine vorläufige Bruttogrundfläche von 32 700 m² ableiten. Die gegebenen Eingangsdaten erlauben nun unter Zuhilfenahme einer Berechnung nach VDI-Richtlinie 2050, Blatt 1 eine differenzierte Berechnung technischer Funktionsflächen (siehe Abbildung 4). Neben der Ermittlung des Flächenbedarfs für Technikzentralen anhand weniger Eingabegrößen liefert diese Richtlinie auch Hinweise über eine geeignete strukturelle Anordnung im Gebäude.
Die ermittelten Zahlenwerte werden auf Wunsch in eine Tabelle übernommen, welche die Bedarfsplanung für die Technikflächen der unterschiedlichen Anlagentypen ermittelt. Über ein Platzierungs-Werkzeug lassen sich nun die entsprechenden Platzhalter für die Technikzentralen im Plan anordnen (siehe Abbildung 5). Ein prüfender Abgleich bereits geplanter Flächen mit den eingangs ermittelten Sollwert-Korridoren ist während dieser Entwurfsphase jederzeit möglich.
Versorgungstrassen platzieren und dimensionieren
Um eine realistische Einschätzung für den Platzbedarf der TGA zu erhalten ist nach der Abstimmung zu Größe und Lage der Technikzentralen ein weiterer Planungsschritt nötig. Hierbei ist es zunächst nötig den groben Verlauf der Verteiltopologie zu definieren, wobei bereits ein geschätzter Platzbedarf angenommen werden kann. Alternativ lassen sich in einer groben Darstellung auch zunächst die Hauptverteilwege skizzieren, wobei die Dimension der Trassenabschnitte unberücksichtigt bleibt.
Statt Konzeptgeometrien verwendet die LINEAR Lösung zur Skizzierung der Trassenverläufe intern spezielle Kanalklassen, welche sich geometrisch für eine Trassendefinition eignen und sich über eine Typklassifizierung für den IFC-Export als „Provision for Space“ ausweisen lassen. Dies hat den Vorteil, dass keine neuen Zeichenbefehle erlernt werden müssen und man den Trassenverlauf als zusammenhängendes Verteilnetz modellieren kann. Da die Trassenobjekte auf eigenen Systemen liegen, lassen sie sich mühelos über die LINEAR Sichtbarkeitssteuerung ein- und ausschalten (Abb. 6).
Um eine Dimensionierung der Versorgungstrassen und somit einen Platzbedarf für Schächte, Abhangdecken und sonstige Konstruktionsräume abschätzen zu können, ist im nächsten Schritt erforderlich, dass die Querschnitte der Hauptverteilwege geplant und dimensioniert werden. Dazu ist zunächst eine Einteilung der Gebäudeflächen in Versorgungsbereiche notwendig. Aus den Nutzungsanforderungen und energetischen Standards ergeben sich beispielsweise Leistungen und Luftmengen, aus denen sich anschließend eine grobe Dimensionierung der einzelnen Leitungen in den Querschnitten ergibt. Diese Informationen gilt es nun über einen grafischen Editor in zweidimensionalen Querschnitten zu organisieren und den entsprechenden Trassensegmenten zuzuweisen. Auch zusätzliche Abstände sowie Dämmstärken und Leitungsgefälle bei Abwassersystemen können hier bereits angegeben werden, damit sie in der Dimensionierung der Trasse berücksichtigt werden können.
Die Querschnittsprofile bleiben den einzelnen Abschnitten zugeordnet und können beim Übergang in die Entwurfsplanung dazu verwendet werden, um automatisiert Leitungstrassen zu generieren. Damit an Kreuzungspunkten keine Schwierigkeiten entstehen, sollten in einer frühen Konzeptphase bereits zusätzliche Störräume vorgesehen werden, damit eine spätere Anbindung an die Haupttrasse kollisionsfrei erfolgen kann (Abb. 7).
Modellentwicklungsgrade in Revit
Sind die Abstimmungen in der frühen Phase erfolgt, geht die Planung in eine detaillierte Modellierung der Anlagentechnik über. Auch in dieser Phase gibt es vielfältige Gründe, um den Detailgrad der aktuellen Ansicht zu erhöhen oder zu verringern. Während der Arbeit kann es vorteilhaft sein, das Modell auf einen niedrigen Detailgrad (z. B. LoG 200 oder LoG 300 nach Tabelle 2) zu schalten, damit ein performantes Arbeiten mit dem Modell möglich ist. Auch kann eine neutrale Ausschreibung mit LoG 400 die Ausblendung produktspezifischer Details erfordern. Um dies alles in einer Plattform wie Revit, die von Haus aus drei Detailstufen mit sich bringt, zu bewerkstelligen, bedarf es diverser Festlegungen in der Modellierung. Hier steht man bereits vor der ersten Herausforderung. Welche Festlegung ist die Richtige? Weiterhin stellt sich die Frage, wie man mit Familien aus Toolboxen anderer Anbieter, Hersteller-Content oder eigenen Inhalten verfahren soll. Damit eine erfolgreiche Lösung zur Verwaltung und ansichtsabhängiger Schaltung von Modellentwicklungsgraden in einer Lösung wie dem LINEAR Desktop für Revit erfolgen kann, sind also mehrere Maßnahmen erforderlich.
Eine naheliegende Maßnahme ist die projektspezifische Definition eines LoG, denn viele Fragen kann man nicht abschließend klären: Wird es im BAP die Zwischenstufe LoG 350 geben, soll das anfangs erwähnte LoG-I-C-L-Schema verwendet werden oder will man eine ganz andere Benennung einführen? Welche Farbe haben Wartungsräume, welche haben Bedienräume? Ab wann sollen Rohrleitungen volumetrisch dargestellt werden? Letztendlich sollte eine Lösung sinnvolle Vorschläge machen, den Anwendern jedoch die Freiheit geben, individuell nach den gegebenen Projektanforderungen zu entscheiden.
In Abbildung 8 ist die Konfigurationsmatrix der geometrischen Modellentwicklungsgrade im LINEAR Desktop für Revit am Beispiel der LoG-Definition aus Tabelle 2 dargestellt. In der eingestellten Konfiguration werden die fünf Modellentwicklungsgrade teilweise über den Revit-Detaillierungsgrad der Ansicht gesteuert, teilweise über die Ein- und Ausblendung vereinbarter Unterkategorien. So ist sowohl eine Umschaltung von groben zu feinen Modellgeometrien möglich als auch z. B. eine „Neutralisierung“ durch die Ausblendung herstellerspezifischer Merkmale innerhalb der feinen Detailstufe. Zusätzlich zu der Steuerbarkeit des LoG bietet sich im Rahmen der Ansichtssteuerung die optionale Ein- und Ausblendung von Störkörpern wie Bedien- und Wartungsräumen (Abb. 1, links) an. Die Voraussetzung für die Nutzbarkeit dieser Mechanismen ist, dass die zugrunde liegenden Familien entsprechend modelliert wurden.
Die Annahme, dass sich alle Familien an dieselben Spielregeln halten, ist zum jetzigen Zeitpunkt utopisch, da viele Entscheidungen seitens einzelner Hersteller getroffen werden und der schon existierende Umfang von Bauteil-Familien bei Herstellern und externen Content-Anbietern gewaltig ist. Jedoch lassen sich mit einfachen Mitteln auch vorhandene Familien auf den oben gezeigten LoG-Mechanismus abstimmen: Per Doppelklick auf ein konkretes Bauteil wechselt der Anwender in den Familieneditor, wo ein spezielles Tool dafür sorgt, dass korrekte Unterkategorien für die LoGs sowie Störräume zur weiteren Bearbeitung angelegt werden. Mit wenigen Handgriffen lassen sich so beispielsweise Bedien- und Wartungsräume in einer Bauteilfamilie nachmodellieren (siehe Abbildung 9). Werden diese Informationen bei Herstellerbauteilen im Rahmen der VDI 3805 bereits erfasst, so kann der LINEAR CAD-Browser die entsprechenden Räume bereits bei der Platzierung anlegen. Diese lassen sich über Typ-Parameter optional für das aktuelle Projekt aktivieren und im Falle einer Aktivierung anschließend über die entsprechenden Unterkategorien ein- und ausblenden. So kann der Nutzer entscheiden, ob er Störkörper als verbindlichen Teil der Modellentwicklung anlegen will oder nicht.
Die Einführung parametrischer Wartungs- und Montageräume in neutrale parametrische Bauteile ist nicht sinnvoll, denn ein doppelt so breiter Kessel hat vielleicht nicht eine doppelt so breite Wartungsöffnung oder benötigt nicht doppelt so viel Wandabstand wie eine kleinere Komponente. Auch wenn neutrale Bauteile diese Störkörper prinzipiell vorbereiten können, bleibt die exakte Modellierung daher Planungsaufgabe und hat in der vorab vereinbarten Planungsphase zu erfolgen.
Gute Parametrik, schlechte Parametrik
Bevor wir diesen Artikel beschließen, erlauben Sie uns den vorigen Gedanken weiterzuspinnen und in eigener Sache einen kurzen Exkurs in die „do‘s and don‘ts“ parametrischer Modellierung zu machen. Unseren Mitarbeitern im Kundenkontakt wird oft die Frage gestellt, warum gewisse Dinge nicht automatisch gehen, wo man doch jetzt eine voll-parametrische Lösung wie Revit als Grundlage nimmt.
Nun, die Gründe sind vielfältig, denn parametrische Modellierung und Abhängigkeiten im Modell sind ein Fluch und ein Segen zugleich. Korrekt eingesetzt, reagieren Bauteile und dazu in Relation stehende Komponenten automatisch auf Änderungen geometrischer Parameter oder der Lage bestimmender Bauteile. So werden beim Verschieben einer Leitung verknüpfte Elemente ebenfalls verschoben oder beim Ändern einer Leitungsdimension werden automatisch Übergänge erstellt, angrenzende Bauteile ändern ebenfalls die Dimension. Solange automatische Anpassungen nur das eigene Gewerk betreffen, sind diese in der Regel gewünscht und führen zu einem flexibleren und schnelleren Arbeiten.
Wo liegen also die Schwierigkeiten? Nun, ein Modell mit starken Relationen erfordert Rechenzeit, um gemachte Änderungen auf abhängige Bauteile zu übertragen. Je mehr dieser Abhängigkeiten eingeführt werden, um so aufwendiger die Arbeit, die Revit investieren muss, um Änderungen herbeizuführen. Man kann dies vergleichen mit dem Aufwandsunterschied ein Gleichungssystem mit zwei Unbekannten gegenüber einem mit drei Unbekannten händisch zu lösen. In Revit lassen sich durch den Klick auf Schloss- und Pin-Symbole schnell viele Tausende solcher Gleichungen einführen, was im Extremfall dazu führt, dass ein Modell träge und unbeweglich wird.
Unabhängig von der Modellperformance gibt es auch noch andere Schwierigkeiten, wenn man die Bauplanung als interdisziplinäres Vorhaben versteht, in dem Abstimmungsprozesse essenzieller Bestandteil sind. Für den Projektfortschritt ist es dabei notwendig, bereits getroffene Vereinbarungen nicht durch einen Automatismus zu verändern, auch wenn dieser für die eigenen Arbeitsabläufe sinnvoll erscheint. Hier ist eine Stabilität im Gesamtprozess höher einzuordnen als der eigene Komfort, da unbemerkte Verletzungen getroffener Vereinbarungen im späteren Verlauf des Projekts zu zeit- und kostenintensiven Koordinationsaufgaben führen. Anhand einiger Beispiele lässt sich gut erläutern, warum nicht alles Machbare im Kontext BIM auch automatisch sinnvoll ist.
Es wird bisweilen als schlechte Modellierung angesehen, wenn z. B. eine Änderung der Geschosshöhen oder das Versetzen einer Wand sich nicht automatisch auf die TGA-Systeme übertragen lässt. Dabei wird oft übersehen, dass es vielleicht keine Sache schlecht definierter Abhängigkeiten ist, wenn eine TGA-Anlage sich nicht automatisch der Architektur anpasst, sondern vielleicht bewusst so gewollt ist. Selbst wenn die Änderung vergleichsweise harmlos ist, so sollte sie zwischen den Akteuren koordiniert werden. Findet sich eine günstigere Leitungsführung, hat die Änderung am Ende gar Auswirkungen auf die Wahl der Komponenten? All diese Fragen stellen sich den Beteiligten nicht, wenn das Modell „zu intelligent“ aufgebaut ist.
Was bei einem Übermaß an Automatismen im Gebäudemodell außerdem schief gehen kann, lässt sich sehr einfach an dem Beispiel der Durchbruchsplanung verdeutlichen: Dieser BIM-Anwendungsfall erfordert eine Abstimmung verschiedener Fachdisziplinen. Der TGA-Planer legt die Rohrleitungen fest und erzeugt Vorschläge für Durchbrüche, die von dem beteiligten Architekten und Statikern geprüft und genehmigt werden müssen. Ist eine solche Abstimmung bereits erfolgt, so wird der Planstand eingefroren. So sollte der Durchbruchsvorschlag bei einer Änderung der Leitungsführung oder -dimension nicht automatisch mitwachsen (siehe Abbildung 10), da eine neu entstandene Kollision so schlimmstenfalls im Laufe des Projekts lange unbemerkt bleibt und später einen hohen Aufwand in der Kollisionsbehebung erzeugt. Sinnvoller ist es die Prozesse so aufzustellen, dass eine Durchbruchsplanung erst nach Ermittlung der Lage und Dimension der Leitungen erfolgt. Werden nachträgliche Änderungen einzelner Trassenabschnitte erforderlich, dann muss allen Beteiligten klar sein, dass ein erneuter Abstimmungsprozess in den betroffenen Gebäudeabschnitten erforderlich ist. Solch eine Abstimmung sollte nur durch bewusste Entscheidungen gestartet werden.
Fazit
Dieser Artikel verdeutlicht die Vorteile, die sich durch eine Modellierung von grob nach fein in einem integralen Planungsprozess ergeben. Durch eine frühzeitige Abstimmung des Raumbedarfs für die TGA lassen sich wesentliche strukturelle Fragen schon vor detaillierter Planung einzelner Gewerke klären, was sich im weiteren Planungsverlauf durch einen deutlich reduzierten Koordinationsaufwand mit den Bauwerksdisziplinen auszahlt. Anhand eines einfachen Prozesses für die Dimensionierung von Technikräumen und Trassen wird eine mögliche Umsetzung diskutiert und anhand aktueller Entwicklungen in der Lösung LINEAR Desktop für Revit dargestellt. Im Anschluss wird die weitere Modellentwicklung über konkrete Bauteile in vereinfachter Darstellung hin zu produktspezifischen Ausschreibungen skizziert und einzelne Fragestellungen der konkreten Implementierung aufgegriffen. Um aus grauer Theorie nun etablierte Praxis werden zu lassen, bedarf es dabei jedoch neben verbesserter Software-Unterstützung auch der Bereitschaft von Planern und Produktherstellern, den Status quo zu überdenken und alte Zöpfe abzuschneiden. Sind sie bereit, die ersten Schritte zu gehen, oder praktizieren Sie in ihrem Unternehmen bereits ähnliche Workflows? Berichten Sie uns davon, damit wir gemeinsam die nächsten Schritte abstimmen können.
Literaturempfehlung
• DIN EN ISO 19650, Blatt 1 – Organisation und Digitalisierung von Informationen zu Bauwerken und Ingenieurleistungen, einschließlich Bauwerksinformationsmodellierung (BIM)
• VDI-Richtlinie 2552, Blatt 1 – Building Information Modeling – Grundlagen
• VDI-Richtlinie 2050, Blatt 1 – Anforderungen an Technikzentralen - Technische Grundlagen für Planung und Ausführung
• van Treeck – Building Information Modeling. Springer, 2016
• van Treeck et.al. - Integrale Planung BIM – Umsetzungserfahrungen im Projekt „Viega World“. Springer, 2019